Die verschiedenen Abnahmefahrten des AW Braunschweig Nachdem die Lokomotiven ihre entsprechende Aufarbeitungsstufe erhalten hatten oder Unfallschäden ausgebessert wurden, wurde durch das AW die  obligatorische Probefahrt duchgeführt. Entweder Lz (Lok allein) oder mit einem eigens für diesen Zweck angefertigten Lastprobezug. Dieser bestand  aus Tendern, die auf beiden Seiten reguläre Stoß- und Zugvorrichtungen hatten. Diese als Lastprobetender bezeichneten Fahrzeuge waren eine  Besonderheit des AW Braunschweig und wurden auch dort aus alten Tendern umgebaut. Zur Erzielung geeigneter Zuglast wurden sie mit  Betongewichten gefüllt.   Anfang der 70er Jahre wurde bei der Dampflokausbesserung nur noch in zwei Schadgruppen unterschieden. L0 war eine Bedarfsausbesserung bei  auftretenden Schäden. L2 war eine Zwischenuntersuchung mit äußerer Kesseluntersuchung. Die L2 war anders als die L0 eine planmässige  Untersuchung. Nach Ablauf einer bestimmten Frist, in der Regel 4 Jahre seit der letzten L2 oder nach Erreichen eines bestimmten Laufkilometerwertes,   wurde diese Untersuchung fällig. Die Laufkilometerwerte unterschieden sich bei den verschiedenen Baureihen. Bei einer Dampflok der Baureihe 012  mußte z.B. nach einer Kilometerleistung von 300 000 km seit der letzten L2 eine erneute L2 durchgeführt werden. Es war nicht vorgeschrieben, dass  zwischen zwei L2 Untersuchungen eine L0 Untersuchung durchgeführt wurde. Allerdings ergab es sich in der Praxis nur selten, dass eine Lok  4 Jahre  ohne Schaden im Einsatz war. Gerade zum Ende der Dampflokära wechselten die Personale ständig auf den Lokomotiven und keiner fühlte sich mehr  persöhnlich verantwortlich für das Material. Noch in den 50er Jahren haben es verschiedene Maschinen geschafft, zwischen zwei  Zwischenuntersuchungen keine Bedarfsuntersuchung zu bekommen. Damals hatten die Lokomotiven noch ihr Stammpersonal die sich mit ihren  Maschinen verbunden fühlten. Das wirkte sich natürlich positiv auf die Fahrzeugpflege und Behandlung aus.  Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema. Innerhalb der Bedarfsausbesserung L0, gab es noch Einstufungen, die man nach Arbeitsaufwand einteilte.  Die L00 war bestimmt für das Beseitigen von Mängeln mit geringem Arbeitsaufwand, z.B. das Tauschen von Ventilen oder Pumpen oder Treibstangen  als komplette Baugruppe bzw. Teil. Die L02 war eine Bedarfsausbesserung mit größerem Arbeitsaufwand und immer mit dem Ausbau der Radsätze  verbunden, z.B. das Beheben von sehr starken Flachstellen oder Arbeiten an den Lagern. Die L09 fand Anwendung an Maschinen mit Unfallschäden,  z.B. Führerhausbrände oder Auffahrunfälle.  Nach diesen Ausbesserungen unterschied man im AW Braunschweig zwischen zwei Arten von Probefahrten bzw. Abnahmefahrten. Es gab zum einen  die Leerprobefahrt und zum anderen die Lastprobefahrt. Jede ausgebesserte Dampflokomotive mußte grundsätzlich vor Rückgabe an ihre  Heimatdienststelle eine Leerprobefahrt absolvieren. Die Lokomotiven, die im Rahmen einer Zwischenuntersuchung (L2) im AW waren, mußten  zusätzlich zur Leerprobefahrt eine Lastprobefahrt mit Anhängelast absolvieren. Wurde bei einer Probefahrt ein Mangel festgestellt, war es nicht selten,  dass dieselbe Maschine erneut auf Probefahrt ging. Bei bestimmten Schäden wurde auch eine Lastprobefahrt bei einer L0 angeordnet.  Für die Durchführung von Probefahrten gab es verschiedene Möglichkeiten, die ich hier kurz beschreiben möchte. Zum einen konnte man die  Lokomotiven als Vorspann vor planmäßigen Zügen einsetzen. Meistens wurde dies vor Güterzügen auf der Strecke Braunschweig Helmstedt praktiziert.  Diese Möglichkeit hatte allerdings den entscheidenden Nachteil, das sich die Probefahrten nach den planmäßig verkehrenden Zügen richten mussten  und es zu Problemen kam, wenn die Probelok einen Schaden erlitt und dadurch den Planverkehr störte.  Eine weitere Möglichkeit war der Einsatz einer Bremslok hinter der Probefahrtlok. Dies schloß zwar Störungen im Planzugverkehr weitestgehenst aus,  hatte aber den entscheidenden Nachteil, des wesentlich höheren Energie und Personalaufwandes.  Eine wirkliche Verbesserung unter Ausschluß der beiden oben erwähnten Nachteile, brachte erst die Beschaffung eines AW eigenen Probefahrtzuges,  der unabhängig vom Planzugverkehr genutzt werden konnte.   Der Lastprobezug des AW Braunschweig Im Jahre 1963 beschaffte sich das AW Braunschweig solch ein  Lastprobezug. Vielmehr baute es sich ihn selbst und zwar aus Tendern  der Bauart 2`2` T34. Tender dieser Bauart wurden für Güterzug-  lokomotiven der Baureihen 41 und 44 gebaut. Da die Tender sich ohne  Probleme und Umbauten auch für eine Geschwindigkeit von 140 kmh  eigneten, wurden sie später auch mit verschiedenen  Reisezuglokomotiven der Baureihen 01 und 03 gekoppelt. Wegen der    zulässigen Geschwindigkeit eigneten sich diese Tenderbauart besonders  gut für den Probefahrtzug des AW Braunschweig da dort auch  Schnellzuglokomotiven unterhalten worden.  Bei den Tendern wurden während des Umbaus die Kohlekästen komplett  entfernt. Die Wasserbehälter wurden mit Ballast, z.T. Betongewichten  gefüllt und wieder verschlossen. Jetzt wurden die so entstandenen  “Gewichtwagen” mit ihren Tenderkurzkupplungen paarweise  zusammengekoppelt. An ihren Enden blieben die regulären Stoß und  Zugvorrichtungen erhalten. Solch ein Probewagenpaar hatte jetzt ein Gewicht von ca. 136 t. Sechs solcher Paare wurden für den Lastprobezug  hergestellt. Nun war man in der glücklichen Lage, völlig frei von irgendwelchen Planzügen verschiedene Anhängelasten zu simulieren. Es wurde  entweder mit drei oder sechs Paaren gefahren, was dem Gewicht von einem mittlerem Schnellzug ca. 400t bei drei Paaren oder eines leichten  Güterzuges von ca. 800 t bei sechs Paaren entsprach. Die nun neu entstandenen Probefahrtwagen wurden in das damals gültige Nummernschema der  DB als Bahndinstwagen eingereiht, allerdings später noch einmal neu bezeichnet.   Bahndienstwagen 9500 ehemaliger Tender der Lok 01 013 Fabriknummer   2964 hergestellt bei Krupp in Essen Bahndienstwagen 9501 ehemaliger Tender der Lok 03 089 Fabriknummer   1989 hergestellt bei Krupp in Essen Bahndienstwagen 9502 ehemaliger Tender der Lok 03 251 Fabriknummer   4352 hergestellt bei Maschinenfabrik Esslingen Bahndienstwagen 9503 ehemaliger Tender der Lok 01 034 Fabriknummer   2944 hergestellt bei Krupp in Essen Bahndienstwagen 9504 ehemaliger Tender der Lok 01 089 Fabriknummer 14781 hergestellt bei Borsig in Henningsdorf Bahndienstwagen 9505 ehemaliger Tender der Lok 03 267 Fabriknummer   4354 hergestellt bei Maschinenfabrik Esslingen Bahndienstwagen 9506 ehemaliger Tender der Lok 01 031 Fabriknummer 15106 hergestellt bei Borsig in Henningsdorf Bahndienstwagen 9507 ehemaliger Tender der Lok 01 075 Fabriknummer       82 hergestellt bei EJC Aytre Charante-Maritime Bahndienstwagen 9508 ehemaliger Tender der Lok 03 012 Fabriknummer   2447 hergestellt bei Schneider, Chalon sur Saone Bahndienstwagen 9509 ehemaliger Tender der Lok 03 053 Fabriknummer   1921 hergestellt bei Krupp in Essen Bahndienstwagen 9522 ehemaliger Tender der Lok 39 109 Fabriknummer   2802 hergestellt bei Krupp in Essen Bahndienstwagen 9523 ehemaliger Tender der Lok 39 103 Fabriknummer   2321 hergestellt bei Wiener Lokomotivfabrik Das Steckennetz der Probefahrten Bis zum Ende der Dampflokunterhaltung in Braunschweig wurden bei Probefahrten des AW folgende Strecken benutzt: 1. Braunschweig- Helmstedt                      36 km 2. Schnandelah-Vorsfelde                          35 km 3. Vorsfelde-Lehrte                                   63 km 4. Lehrte- Braunschweig                           45 km 5. Braunschweig- Hildesheim                     43 km 6. Braunschweig- Kreinsen                        72 km 7. Braunschweig- Bad Hazburg       47 km     Die Stammstrecke für Probefahrten des AW Braunschweig war die Verbindung Braunschweig-Helmstedt, bis Kriegsende sogar noch weiter bis  Magdeburg. Die meisten Probefahrten des AW Bwg, einschließlich der allerletzten am 19. September 1976 (nur noch bis Königslutter) wurden auf  dieser Strecke durchgeführt. Nachteilig auf dieser Strecke war die Tatsache, dass es hier keine Möglichkeit gab, die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten  von Schnellzuglokomotiven z.B. der Baureihe 012 von 140 kmh zu erreichen. Daher nutzte man für solchen Lokomotiven die Verbindung Vorsfelde-  Lehrte. Um dort hinzugelangen, mußte allerdings erst die Verbindung Braunschweig-Helmstedt bis Schandelah gefahren werden, um dann dort auf die  Nebenbahn Schandelah-Vorsfelde abzubiegen. Die Verbindung Schandelah-Vorsfelde ist heute nicht mehr vorhanden. Nur den Bahndamm und auch  steinerne Bahnbrücken kann man 2005 noch wiederfinden. Ab Vorsfelde ging es dann ab weiter Richtung Westen mit 140 kmh auf die alte  “Rennstrecke” nach Lehrte. Auf dieser Verbindung hatte das Probefahrtpersonal die Möglichkeit, den Regler voll aufzumachen und auszutesten, ob die  Maschine auch noch ruhig lief, wenn die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit der Baureihe überschritten wurde. Ab Lehrte ging es dann zurück  über Peine, Vechelde nach Braunschweig in das AW zur Beendigung der Abnahmeprüfung oder zum eventuellen Nachbessern. Dieser 153 km Rundkurs  wurde bei den Probefahrtpersonalen die “Große Tour” gennant. Letztmalig wurde diese, mit der  012 081-6 am 17. September 1974 gefahren.  Auch Güterzuglokomotiven gingen auf einen Rundkurs der über Schandelah-Vorsfelde führte. Allerdings fuhren diese von Vorsfelde nicht weiter bis  Lehrte, sondern verließen bereits in Fallersleben die Hauptbahn, um über Lehre zurück nach Braunschweig zu gelangen. Dies war dann die sogenannte  “kleine Runde”. Die Verbindung Fallersleben Braunschweig über Lehrte gibt es noch, allerdings nicht mehr in der unten eingezeichneten ursprünglichen  Trassenführung der ehemaligen Braunschweigischen Landeseisenbahn (BLE).   Als im Jahre 1973 mit den Vorbereitungen für die Elektrifizierung der Strecke Braunschweig Helmstedt begonnen wurde, wich man auf die Strecken  nach Bad Harzburg und Kreiensen aus. Trotzdem blieb die Helmstedter Trasse die Hausstrecke des AW Braunschweig. Oben sind die vom AW  Braunschweig damals hauptsächlich benutzten Probefahrtstrecken eingezeichnet.   Die beiden rechten Bilder, sind an der ehemaligen Probefahrttrasse  Schandelah-Vorsfelde bei Volkmarsdorf entstanden.   In Ausnahmefällen wurden auch längere Probefahrten z.B. über Kreiensen  durchgeführt. Die Abnahmefahrt für den auf der vorhergehenden Seite  gezeigten Auftragszettel der 042 073-7 für eine L2 war eine solche  Ausnahme. Diese Fahrt führte die 42er mit ihrem 560 t Zug von  Braunschweig über Hildesheim bis nach Kreiensen und zurück über Seesen  und SZ Ringelheim nach Braunschweig. Warum an diesem Tag die  Südstrecke gefahren wurde, läßt sich heute nicht mehr ermitteln, möglicherweise sollte das Leistungsverhalten der Lok auf Steigungen getestet  werden. Diese Möglichkeiten gab es auf den andern Teststrecken nicht.  Modelle von Lastprobewagen  Einige Modellbahnfreunde sind immer wieder auf der Suche nach interesasanten Fahrzeugen, die sie für Ihre Anlagen nachbauen können. Die  Lastprobetender des AW Braunschweig bieten solch eine Möglichkeit. Da ja nun für Modelle jedes Detail von gößter Wichtigkeit ist, trat ein Leser dieser  Seiten mit folgender Frage an mich herran: “...vom Lastprobezug gibt es Fotos im Netz oder auch in der Eisenbahnliteratur, leider aber meistens nur als  seitliche Abbildung oder von hinten. Wissen Sie, wie die Tender von oben aussahen? War der gesamte Tender mit einer Platte verschlossen oder sah  man noch die Kohlenschütte? Vielleicht ist Ihnen ein Foto  oder eine Zeichnung bekannt...” Ich konnte damals wirklich helfen und habe Fotos in meiner  Sammlung gefunden, die als Arbeitsgrundlage dienten. Mittlerweile ist das Projekt in die Tat umgesetzt und mir wurden Bilder der Modelle zugesand.  Vielleicht inspierieren sie den ein oder anderen zum Nachbau. Ich finde sie jedenfalls ausgesprochen gelungen und wirklich passend am Ende dises  Berichtes über die Probefahrtzüge. Vielen Dank an Herrn Helmich dem Erbauer dieser Fahrzeuge.   In eigener Sache:  Ich such zur Ergänzug dieser Seite noch Bilder von weiteren Probefahrtzügen des AW Braunschweig, hat vielleicht jemand noch solche Fotos in seiner  Sammlung und würde Sie hier der Algemeinheit zurverfügung stellen?  Foto: Friedel Helmich H0 Modelle der Tender Das Dampflokausbesserungswerk Braunschweig Das Aw Bwg Teil 2 b Die Abnahmefahrten Die Lastprobezüge